Die EFA als zweckgebundene Akte
Dieses Material ist Teil des Leitfadens CDA für die elektronische Fallakte.
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Die EFA als zweckgebundene Akte
Die elektronische Fallakte (eFA) unterstützt einrichtungsübergreifende Dokumentations- und Kommunikationsprozesse in der Zusammenarbeit von Leistungserbringern bei der strukturierten Behandlung von spezifischen Erkrankungen.
Die grundsätzliche Entscheidung, ob die Behandlung einer Erkrankung in einer Einrichtung über eine Fallakte unterstützt werden soll, liegt bei der Einrichtung. Üblicherweise wird eine Einrichtung ihren Patienten nur dann die Nutzung einer Fallakte anbieten, wenn weitere Behandler einbezogen werden müssen und die Herstellung einer gemeinsam nutzbaren Dokumentations- und Kommunikationsplattform eine qualitative Verbesserung der Behandlung oder eine Verringerung von Unannehmlichkeiten für den Patienten mit sich bringt. In einem Versorgungsverbund legen die Fallakten anbietenden Einrichtungen (EFA Provider) im Konsens mit den einbezogenen Ärzten den jeweils erforderlichen Inhalt einer diagnose-spezifischen Fallakte fest. Ziel ist es durch die strikte Reglementierung der Fallakteninhalte sowohl eine Informationsüberflutung als auch das Fehlen von relevanten Informationen zu vermeiden. Alle behandelnden Ärzte können sich so auf die Angemessenheit und Vollständigkeit der ihnen in der Fallakte vorliegenden Informationen verlassen. Der Patient wird bei der Abfrage der Einwilligung über die regelhaft in seine Fallakte eingestellten Daten informiert; er kann jedoch lediglich die Nutzung der Fallakte als Ganzes ablehnen, nicht jedoch die Ausklammerung einzelner, von den Ärzten als wichtig erachteten Inhalte, verlangen.
Aufgrund ihrer Bindung an spezifische Krankheitsbilder im Kontext einrichtungsübergreifend strukturierter Behandlungen ist die Fallakte nicht darauf angelegt, für alle Behandlungsfälle zur Anwendung zu kommen. Vielmehr wird zunächst eine Konzentration auf diejenigen Erkrankungen im Vordergrund stehen, bei denen für bestehende Behandlungskooperationen durch die Nutzung von Fallakten deutliche Verbesserungen der Versorgung und/oder Vereinfachungen von einrichtungsübergreifenden Abstimmungsprozessen erzielt werden können.
Die Entscheidung darüber, ob im konkreten Behandlungsfall eine für eine Erkrankung mögliche und von einem Arzt vorgeschlagene Fallaktendokumentation akzeptiert wird und tatsächlich eine Fallakte angelegt werden kann, liegt beim Versicherten. Lehnt der Versicherte die Anlage einer Fallakte ab, darf ihm daraus kein weiterer Nachteil entstehen.
Der »medizinische Fall«
Ausgangspunkt einer Fallakte ist immer die medizinische Behandlung eines Patienten, welche je nach Phase eine konkrete Zusammenarbeit mehrerer medizinischer Leistungserbringer erfordert. Dies können z. B. der Hausarzt des Patienten, ein Facharzt, eine Fachabteilung eines Krankenhauses und eine Reha-Einrichtung sein. Die besonderen Charakteristika der durch die EFA abbildbaren Behandlungsphase können dabei wie folgt zusammengefasst werden:
- Es besteht ein Erfordernis der unmittelbaren Kommunikation von medizinischen Daten zwischen den in die Behandlung eingebundenen Leistungserbringern, d. h. mittels einer EFA wird vorrangig über den Patienten und nicht mit dem Patienten kommuniziert.
- Es existieren prüfbare Kriterien, die das zu erreichende Ziel der unterstützten Behandlungsphase – und damit das Schließen der Fallakte – markieren. Das Ziel der jeweiligen Phase muss dabei nicht zwingend die vollständige Genesung des Patienten implizieren, sondern bedeutet lediglich, dass kein Erfordernis einer engen Abstimmung und unmittelbaren Datenkommunikation zwischen verschiedenen Einrichtungen mehr besteht.
- Der Kreis der Leistungserbringer, der über die Fallakte Daten austauscht und die Behandlungsereignisse dokumentiert, ist zu jeder Zeit abschließend benennbar. Er umfasst die Personen, die in der aktuellen Behandlungsphase in die Behandlung eingebunden sind bzw. die Behandlung in einer definierten Rolle begleiten (z. B. als Fallmanager oder Qualitätsbeauftragter).
Wesentlich bei der Festlegung einer Fallakte ist der Behandlungsgrund, der für die intersektorale Kommunikation zwischen mitbehandelnden Organisationen als zentral erachtet werden soll. Dabei wird dieser Grund in der Regel mittels einer zentralen ICD oder mittels einer zwischen Organisationen vereinbarten Regelung beschrieben. Bei der Festlegung des Grundes der gemeinsamen Behandlungsphase ist es von geringer Relevanz, ob dieser eine einzelne oder mehrere, die Behandlung wechselseitig beeinflussende Diagnosen zugrunde liegen,.
Zentral ist vielmehr das klare Erfordernis für die Kommunikation zwischen Ärzten und die definierte Zweckbindung der Dokumentationsinhalte. (Benennung des Ziels und der Teilnehmer der Behandlung, der erwarteten Dauer des Kommunikationsbedarfs und des Kommunikationsumfanges.)
Eine solche kooperative Behandlungsphase mit dem Erfordernis einer gemeinsamen, zweckbezogenen Dokumentation wird in den technischen Spezifikationen der EFA als »medizinischer Fall« bezeichnet, der inhaltlich den medizinischen Kommunikationsbedarf zwischen mitbehandelnden Organisationen festlegt.
Hintergrund: Zweckbindung und Patientenhoheit
Aus den Anforderungen des Datenschutzes und dem Streben nach einer vertrauensvollen Zusammenarbeit von Arzt und Patient heraus ist eine möglichst starke Rolle des Patienten in Bezug auf die Steuerung der Nutzung seiner medizinischen Daten anzustreben. Diese Rolle kann dabei unterschiedlich in der Interaktion von Arzt und Patient manifestiert werden, wobei die Herstellung einer starken Zweckbindung und die Autorisierung von Einzeltransaktionen zwei Strategien an den Enden des denkbaren Spektrums darstellen:
- Eine enge Zweckbindung schafft Transparenz und ermöglicht eine praktikable Patientenhoheit ohne Notwendigkeit einer vollständigen Datenhoheit des Patienten. Die informationelle Selbstbestimmung wird durch die Einwilligung in den Zweck und durch Transparenz bei der datensparsamen Durchsetzung des Zwecks gewahrt. Durch eine patientenbestimmte Belegung von Rollen mit Personen/Organisationen wird eine Intervenierbarkeit des Patienten hergestellt, indem die Berechtigungen jederzeit die Nutzungsanforderungen der vom Patienten als sein Behandlungsteam bestimmten Personen und Organisationen abbilden. Technische Sicherheitsmaßnahmen einer zweckgebundenen Akte dienen vorrangig zur Absicherung der Zweckbindung.
- Eine starke Patientenhoheit erlaubt dem Patienten die Zweckbestimmung jeder einzelnen Verarbeitung seiner Daten. Intervenierbarkeit und Selbstbestimmung werden hierbei durch die vollständige Datenhoheit des Patienten abgesichert, wozu auch eine praktikable und diskriminierungsfreie Umsetzung des Rechts auf Verweigerung gehört. Technische Sicherheitsmaßnahmen einer Akte in Patientenhoheit zielen vorrangig auf die Absicherung der Datenhoheit des Patienten ab, d.h. stellen sicher, dass jede Einzeltransaktion durch den Patienten autorisiert ist.
Die EFA ist eine Akte mit enger Zweckbindung. Die damit einher gehenden Anforderungen an das abzusichernde Zusammenspiel von Arzt und Patient werden in der Stellungnahme der Landesdatenschützer zum Datenschutzkonzept der EFA v1.2 beschrieben:
Anders als die einrichtungsübergreifende elektronische Patientenakte (eEPA), die eine Art Vorratsdatenspeicherung für in der Regel noch nicht eingetretene Behandlungsfälle darstellt und damit datenschutzrechtliche Fragen zur Sicherstellung der Zweckbindung aufwirft, wird die eFA für konkrete Behandlungsfälle angelegt, womit eine enge Zweckbindung für die eFA definiert wird.
In die gemeinsame Fallakte werden nur für die aktuelle Behandlung erforderliche Informationen eingestellt. Mit seiner Einwilligung autorisiert der Patient den von ihm bestimmten Leistungserbringer, zur Durchführung der Behandlung auf den gesamten Inhalt der gemeinsamen Fallakte zuzugreifen. Er hat nicht das Recht, den Zugriff auf einzelne Dokumente auszuschließen. Der Patient hat jedoch das Recht, seine Einwilligung zu widerrufen. Macht er von diesem Recht Gebrauch, darf kein Leistungserbringer mehr auf die Fallakte zugreifen.
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